Samstag, 22. Dezember 2007

Donnerstag, 25. Oktober 2007

Zürich

Zürich (französisch/englisch:Zurich, italienisch: Zurigo, rätromanisch: Turitg, Zürcherdeutsch: Züri) ist die grösste Stadt der Schweiz und Hauptstadt des Kantons Zürich . Die Stadtgemeinde zählt rund 371'000 Einwohner; in der Agglomeration, im so genannten «Millionen-Zürich», leben 1.08 Mio. Menschen, die Metropolitanregion hat 1.68 Mio. Einwohner. Zürich ist das wichtigste wirtschaftliche und gesellschaftliche Zentrum der Schweiz. Laut einer Studie aus dem Jahr 2007 ist es die Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität.
Zürich liegt im östlichen Schweizer Mittelland
, an der Limmat am Ausfluss des Zürichsees, in einem von Hügeln umschlossenen Becken. Das aus dem alt-römischen Stützpunkt Turīcum entstandene Zürich wurde im 13. Jahrhundert freie Reichsstadt und 1351 Mitglied der Eidgenossenschaft. Die Stadt des Reformators Zwingli erlebte im Industriezeitalter ihren Aufstieg zur Wirtschaftsmetropole der Schweiz.
Zürich ist mit seinem Hauptbahnhof
, dem grössten Bahnhof der Schweiz, und dem Flugdrehkreuz Zürich-Kloten ein kontinentaler Verkehrsknotenpunkt und dank der ansässigen Grossbanken und Versicherungen (u.a. Credit Suisse, Zürich Versicherung) ein internationaler Finanzplatz. Die Stadt wird darum zu den Global Citys(Weltstädten) gerechnet. Überdurchschnittlich viele Medienunternehmen, darunter das Deutschschweizer Fernsehen, haben hier ihren Sitz. Dank seiner Lage am Zürichsee, seiner gut erhaltenen mittelalterlichen Altstadt und einem vielseitigen Kulturangebot ist es zudem ein Zentrum des Schweizer Tourismus.
Die Stadt ist eine politische Gemeinde
, deren Territorium seit 1989 mit dem des Bezirks Zürich zusammenfällt. Ihre Einwohner werden Zürcher genannt (bzw. umgangssprachlich Stadtzürcher zur Differenzierung mit den übrigen Einwohnern des Kantons).

Die Geschichte


Im Unterschied zu den meisten anderen schweizerischen Grossstädten stieg Zürich im Frühmittelalter in den Rang einer Stadt auf. In Turicum gab es zwar bereits zur Römerzeit eine Zollstation und ein Kastell, die zugehörige Siedlung kann aber noch nicht als Stadt bezeichnet werden. Das frühmittelalterliche, alemannische Zürich war eng verbunden mit dem Herzogtum Schwaben und zwei bedeutenden geistlichen Stiftungen der deutschen Könige, dem Grossmünster und dem Frauenmünster , die dem Kult um die Stadtpatrone Felix und Regula geweiht waren. Nach dem Zerfall der zentralen Gewalt im Herzogtum Schwaben und dem Aussterben der Zähringer 1262 konnte sich Zürich den Status der Reichsunmittelbarkeit sichern. Der Titel einer Reichsstadt bedeutete de facto die Unabhängigkeit der Stadt. De jure löste sich Zürich jedoch erst 1648 von der Oberhoheit des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches.
Im Innern wurden die Geschicke Zürichs seit der Zunftrevolution durch Bürgermeister Rudolf Brun
im Jahr 1336 durch den Stadtadel und die Handwerkervereinigungen (Zünfte) gemeinsam geleitet (Brunsche Zunftverfassung). 1351 schloss sich Zürich zur Sicherung seiner Unabhängigkeit gegen das aufstrebende süddeutsche Adelsgeschlecht der Habsburger der schweizerischen Eidgenossenschaft an und wurde zusammen mit Bern zum Vorort dieses Staatenbundes. Der wohl bis heute wichtigste Beitrag Zürichs zur Weltgeschichte war die Reformation von Ulrich Zwingli. Unter seiner geistigen Führung wurde seit 1519 Zürich zum reformierten Rom an der Limmat. Auch die Täuferbewegung nahm ihren Ausgangspunkt in Zürich.

In ihrem Umland eroberte und erwarb Zürich bedeutende Territorien, die der Stadt bis 1798 politisch untergeordnet waren. Mit dem Untergang der freien Republik der Stadt Zürich nach dem Einmarsch der Franzosen in die Schweiz ging die Stadt zusammen mit dem ehemaligen Untertanenland im neuen Kanton Zürich auf. Im beginnenden 19. Jahrhundert kam es zwar zu einer kurzfristigen Restauration der städtischen Vorherrschaft im Kanton, die jedoch von kurzer Dauer war. Zürich ist seitdem nunmehr der Hauptort des gleichnamigen Kantons Zürich.

Der Aufstieg Zürichs zum wirtschaftlichen Zentrum der Schweiz begann bereits mit der Textilindustrie im 18. und 19. Jahrhundert. Unter der politischen und wirtschaftlichen Führung der Liberalen , insbesondere von Alfred Escher, wurde die führende Rolle Zürichs ab 1846 durch die Gründung von zahlreichen Banken und Versicherungen auch auf den Finanz- und Dienstleistungssektor ausgedehnt. Seit dem Niedergang der Zürcher Industrie in der Nachkriegszeit hat die Bedeutung dieses Sektors noch zugenommen.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann ein bis in die 1970er-Jahre andauernder Bauboom, der Zürich von einer Kleinstadt zur Grossstadt mit all ihren Problemen wachsen liess. Das stürmische Wachstum beschränkte sich zuerst auf einen Um- und Neubau des Zentrums, erfasste aber zunehmend auch die umliegenden ländlichen Gemeinden. In zwei Eingemeindungswellen wurden 1893 und 1935 20 Landgemeinden mit der alten Stadtgemeinde zusammengefasst. Die Errichtung eines «Millionenzürich» scheiterte jedoch bis heute. Während nämlich ursprünglich die Finanzstärke der Stadt bzw. die leeren Kassen der Vororte Motor der freiwilligen Stadterweiterungen waren, sind heute die verbleibenden Vororte finanziell eher besser gestellt als die Stadt. Dies schlägt sich insbesondere in den Steuersätzen nieder.

Im 20. Jahrhundert stand Zürich politisch im Bann der Arbeiterbewegung. Schon vor dem Landesstreik 1918 war in Zürich die Konfrontation zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft besonders heftig ausgefallen, da Zürich grosse Industriebetriebe mit tausenden von Arbeitern aufwies, aber auch eine Hochburg des Grossbürgertums war. In der Zwischenkriegszeit wurde das Rote Zürich zu einem Aushängeschild für die Regierungsfähigkeit der Sozialdemokratie. Trotzdem wurde gerade in Zürich 1939 die als Landi bekannt gewordene Landesausstellung zu einem Symbol für den Zusammenhalt und den Widerstandswillen der Schweiz im Zeichen der Geistigen Landesverteidigung gegen Hitlerdeutschland. Schliesslich wurde 1943 der Zürcher Stadtpräsident Ernst Nobs als erster Sozialdemokrat in den Bundesrat gewählt. In der Nachkriegszeit blieb Zürich Sammelbecken und Bühne für Protestbewegungen, wie 1968 anlässlich der Globus-Krawalle und 1980 für die Jugendunruhen . Noch heute ist der 1. Mai in Zürich jährlich Grosskampftag für die Polizei und den «Schwarzen Block».
In den 1980er Jahren war Zürich in einem Teufelskreis zwischen der Nachfrage nach mehr Bürofläche in der Innenstadt, der Stadtflucht und der drohenden Verslumung ganzer Stadtkreise wegen der Drogenprobleme gefangen. Massnahmen zur Attraktivitätssteigerung der Innenstadt wie die Verkehrsbefreiung des Niederdorfs konnten nicht verhindern, dass die Innenstadt Zürichs immer unattraktiver wurde. Veränderungen schienen unmöglich – 1986 brachte die damalige Baudirektorin Ursula Koch
mit ihrem berühmtgewordenen Satz «Zürich ist gebaut» die Perspektivlosigkeit der Politik in Bezug auf die weitere Zukunft Zürichs zum Ausdruck. Erst Mitte der 1990er Jahre konnte die Blockade überwunden werden, zuerst durch eine neue Bau- und Zonenordnung 1996 und die Liberalisierung des Gastgewerbegesetzes 1997. Besonders letzteres wirkte enorm belebend auf das Nachtleben Zürichs und liess innerhalb kürzester Zeit unzählige neue und innovative Restaurants, Bars und Diskotheken aus dem Boden schiessen. 1998 konnte unter dem neuen Baudirektor Elmar Ledergerber (seit 2002 Stadtpräsident) die jahrelang nur langsam vorankommende Neugestaltung der Industriebrachen in Zürich-West und in Oerlikon beschleunigt werden, so dass sich bis heute an beiden Standorten trendige und moderne neue Stadtquartiere entwickeln konnten. Zürich wurde durch diese plötzlich rasante Modernisierung wieder zu einer pulsierenden Metropole, für die sich das Schlagwort «Downtown Switzerland» etabliert hat.

Mittwoch, 24. Oktober 2007

Der überlistete Teufel-3. Die St.-Jodern-Glocke

Einst lebte in der kleinen Walliser Hauptstadt Sitten auf seinem hochgelegenen Schloß Tourbillon ein heiligmäßiger Bischof, der St. Jodern (Theodor) hieß. In einer Nacht nun hatte der Bischof einen seltsamen Traum. Es wurde ihm darin kundgetan, daß der Heilige Vater in Rom in großer Gefahr schwebe, falls er nicht sofort gewarnt würde. In Schweiß gebadet und in schweren Ängsten erwachte der Bischof. Sogleich sann er angestrengt darüber nach, wie er dem Heiligen Vater wohl die Warnung zu wissen tun könnte. Er stand auf, trat ans Fenster und starrte sorgenvoll in die stille Nacht hinaus.
Da sah er nicht weit von seinem bischöflichen Palaste weg einen seltsamen, ungewöhnlich hellen Schein, den sonst ringsum die Dunkelheit umschloß. Und wie er verwundert genauer hinschaute, sah er drei Teufel, die fröhlich mit ihren Pferdefüßen auf dem hellen Schein wie auf einem Teppich tanzten.
Der Bischof rief sie an, und sie eilten sogleich gehorsam herbei. "Wer von euch ist der Geschwindeste?" fragte der Bischof. "Ich", sagte der erste Teufel, "ich bin geschwind wie der Wind." - "Nein", rief der zweite, "ich fliege so geschwind wie die Kugel aus dem Rohr." - "Das ist was Rechtes", höhnte der dritte, "ich durcheile die Welt wie ein Weibergedanke."
"Du bist mein Mann", sagte erfreut der heilige Jodern. Und nun machten sie aus, der Bischof müsse dem dritten Teufel seine Seele zum Lohn geben, wenn er ihn in der Nacht nach Rom trage und auch noch zurück, bevor die Hähne den Tag beschrien.
Zufrieden ging der Teufel den Handel ein. Flugs holte er einen schwarzen Hahn und setzte ihn als Wächter auf die Stadtmauer. Der heilige Bischof jedoch holte heimlich einen weißen Hahn und setzte ihn zuoberst auf die Kirchturmspitze. Jetzt lud der Teufel den Heiligen auf den Buckel und trug ihn über alle Berge im Hui nach Rom, der Ewigen Stadt. Dort warnte der Bischof den Heiligen Vater. Dieser schenkte nun dem heiligen Jodern als Belohnung eine schöne Glocke, die der Bischof sogleich dem Teufel aufbürdete. Obwohl das für den Bösen eine gar schwere Last war, ging's doch wieder im Flug heimwärts gen Sitten, also daß es noch finster war, als sie am Fuße des Bischofssitzes ankamen. Schon frohlockte der Satan, aber zu früh, denn noch bevor er den heiligen Bischof abzusetzen vermochte, fing der weiße Hahn auf der Kirchturmspitze aus Leibeskräften zu krähen an. Er hatte auf dem Turmspitz einen gar üblen Platz gehabt und immer wachbleiben müssen, um nicht herunterzufallen. Der schwarze Hahn dagegen, der es auf der breiten Stadtmauer gut hatte, war eingeschlafen. Aber wie er nun den weißen Hahn krähen hörte, wachte auch er auf und krähte mit. Der Böse schäumte vor Wut. Aber der Bischof war sogleich, wie er den Hahnenschrei gehört hatte, von des Teufels Rücken gesprungen und auf die Knie gefallen. Da packte der Satan die Glocke und warf sie rasend vor Wut nach dem Heiligen, und zwar mit solcher Gewalt, daß sie neben dem Bischof neun Klafter tief in die Erde hineinfuhr; dann machte er sich wie das böse Wetter davon. Der gerettete Bischof aber streckte die Arme aus und rief: "Dona, Dona läut!" Und da fing die Glocke im Boden zu läuten an und stieg läutend empor bis zuhöchst in den Kirchturm, wo sie im Glockenstuhl hängen blieb.
Die St.-Jodern-Glocke wird heute noch geläutet, wenn ein Ungewitter losbricht. Auf der Glocke aber ist der heilige Bischof abgebildet, wie er neben dem Satan steht, der die Glocke auf dem Buckel trägt.

Der überlistete Teufel-2. Der schlaue Peterli

Einmal waren zu Peist im Graubündnerland in einem Wirtshause viele junge Burschen zusammengekommen, die sich mit Spielen und Schmausen unterhielten und sich eine gar lustige Nacht zu machen wußten. Es mag etwas zu übermütig hergegangen sein. Als sie am lautesten und ausgelassensten taten, ging, wie von einem Windstoß aufgeblasen, lautlos die Stubentüre auf, und herein trat ein grüngekleideter Fremder, der um Herberg nachsuchte, die ihm die Wirtsleute auch bereitwillig gewährten.
Danach setzte sich der Grüne unter die übermütige Gesellschaft der Jungburschen und begann es selber also toll zu treiben mit Spielen und Späßen, daß sie an ihm ihre heillose Freude hatten. Immer vertrauter wurde er mit ihnen, und zuletzt, als ihnen die Augenlider vom Weine schwer und der Sinn stumpf wurde, anerbot er sich lachend, die ganze große Zeche zu zahlen, wenn ihm der letzte, der die Stube verlasse, künftig mit Leib und Seele dienen wolle. Er sei auch gerne bereit, diesem daraufhin so viel Geld zu geben, daß er sein Lebtag genug habe.
Jetzt wurde es den ausgelassenen Jungen doch etwas seltsam. Sie glotzten einander erst stumpfsinnig an, und dann ward es mit einemmal Tag in ihren Köpfen. Sie merkten nun, wer ihnen die Zeche bezahlen wollte, und verwünschten den Augenblick, in dem der unheimliche Fremde zu ihnen in die Stube gekommen war. Aber nun kamen sie ihm nicht mehr aus, denn gutwillig wollte er nicht gehen, und ihn dazu zu zwingen, wagte keiner der vorher so tollen Burschen. Er sah bös aus, und alle zitterten für Leib und Seele.
Jedoch unter den Burschen war einer, dem immer noch etwas einfiel, wenn die andern nicht mehr wußten, wo aus und ein. Man hieß ihn nur den kleinen Peterli. Dieser erholte sich von seinem ersten Schrecken und dachte darüber nach, wie er der geängstigten Gesellschaft aus der Klemme helfen und dem Teufel, denn das war der Grüne, ein Schnippchen schlagen könnte. Auf einmal rief er, nachdem der Fremde die große Zeche bezahlt hatte, fröhlich lachend aus: "Du, Grüner, das ist leicht, aber dabei kommst du gewiß zu Schaden! Also, das Licht gelöscht, und der letzte, der die Stube verläßt, muß mit dir, basta!"
Jetzt wurde das Licht ausgelöscht, der Grüne stellte sich hart neben die Stubentüre, damit er den letzten, der ihm gehören sollte, flugs packen könnte.
Schier taghell schien der Mond in die Stube. Es war eine herrliche Nacht. Aber die jungen Burschen zitterten und dachten, die Sache werde wohl ein böses Ende nehmen. Nun mußten sie, ob sie wollten oder nicht, zur Stube hinaus. Weil aber keiner der letzte sein wollte, so losten sie um den Vortritt. Der kleine Peterli wußte es, ohne daß der Böse es merkte, einzurichten, daß das Los, die Stube zuletzt zu verlassen, ihn traf.
Einer um den andern verließ nun hochklopfenden Herzens die Stube. Schon war der zweitletzte draußen, da kam noch der kleine Peterli gegen die Türe als der letzte. Hohnlachend wollte sich der Teufel über ihn her stürzen, doch Peterli sagte: "Nur schön langsam, dort kommt noch mein Hintermann!" Und damit zeigte er auf seinen Schatten an der Wand. Rasch ließ der Satan von ihm ab und warf sich gierig auf den Schatten an der Wand. Aber als er den Betrug merkte, war der kleine Peterli schon draußen, und mit Blitz und Donner fuhr der dumme Teufel ab.

Der Überlistete Teufel-1. Die Teufelsbrücke in Uri

Wer heute nach dem sonnigen Süden reisen will, nach Italien, "wo still die Myrte und hoch der Lorbeer steht", wie der Dichter so schön singt, der setzt sich einfach in die Eisenbahn und fährt im Hui durch das Gotthardgebirge hindurch, und wie er zum langen Tunnel hinauskommt, grüßt ihn schon das erste welsche Dörflein Airolo.
In alter Zeit ging's aber nicht so rasch. Da mußten die Säumer und Italienfahrer, Pilger und Krieger, über den hohen, oft tiefverschneiten Gotthardberg steigen. Und in gar alten Zeiten konnten sie auch das nicht, denn in der grausen Schlucht der Schöllenen, durch die die Gletscherwasser der Reuß toben und schäumen, hörte jeder Weg auf. Der Wildstrom versperrte den Weg ins Welschland. Zwar baute man später einen elenden Steg den Felsenabstürzen nach, den die Leute den stiebenden Steg nannten, aber das war ein gar gefährlicher, schwindliger und schmaler Übergang, den oft Wind und Wetter ungangbar machten.
Das verdroß und bekümmerte besonders die Urner, die gar zu gern hin und wieder aus ihren rauhen Bergtälern ins schöne Land Italien hinuntergestiegen wären, um sich an dem dickroten süßen Wein und den andern guten Früchten und schönen Sachen zu erfreuen. Zudem ging über den Gotthard ihr einziger Weg nach Rom zum Heiligen Vater. Sie wünschten sich daher eine rechte Brücke, über die man auch nötigenfalls mit Roß und Wagen hinüberkommen könnte. Aber alle Mühe und aller Schweiß waren umsonst; der wilde Bergstrom riß immer wieder alle Brückensätze weg, die sie ihm aufzwingen wollten.
Da rief man die Landsgemeinde zusammen, um diese Brückennot zu beraten. Jedoch niemand fand einen Ausweg. Endlich erhob sich der Landammann und sagte: "Zwar ist's gefährlich, sich mit dem Bösen einzulassen, allein Not bricht Eisen, und kommt Zeit, kommt Rat. Meine Meinung ist, man solle mit dem Teufel einen Vertrag machen, daß er uns die Brücke erstelle."
Erst erschraken die Landleute, und es war ihnen bei ihres Landammanns Rat nicht wohl. Aber der Landammann wußte ihnen den roten Wein im Welschland also zu zuckern, daß sie die Lippen danach leckten. Als daher der verwegene Landammann den Antrag zur Abstimmung brachte, siegte er mit einer ansehnlichen Mehrheit. Aber als es sich fragte, wer nun mit dem Teufel den Handel einfädeln sollte, wollte niemand die Hand aufheben. So mußte der Landammann die Unterhandlung mit ihm besorgen, denn, sagten die Urner, er kenne sich bei den großen Herren besser aus als bei den Bauern. Wie der Landammann das dann machte, hat nie jemand vernommen, denn es ist nicht protokolliert worden. Kurzum, der Teufel ließ sich berichten und schloß mit dem Landammann das Geschäft ab, dahin lautend, daß die Brücke über Nacht fertig erstellt und mit Steinwerk wohlbefestigt sein müsse, daß jedoch der erste, der sie überschreite, des Teufels sein solle.
"Beim nächsten Tagesgrauenging man dort nachzuschauen,und über Sturmeswogenwölbt sich der Brücke Bogen.Doch an der Brück' auch schonpaßt Satan auf den Lohn."
Am andern Morgen sahen also die Urner mit freudigem Staunen eine feste Steinbrücke über die wilde Reuß liegen, die ihre schäumenden Wasser wütend daran emporschlug. Doch verminderte sich ihr Jubel schnell, als sie an dem Brückenausgang gegenüber den Teufel gewahrten, der mit stechenden, grasgrünen Augen auf seinen Lohn wartete. Da erschien der beherzte Landammann, der den Vertrag mit dem Bösen abgeschlossen hatte, und rief diesem zu: "Hast deine Sache brav gemacht!"
Der Teufel nickte schmunzelnd mit dem gehörnten Kopf. In diesem Augenblick ließ der Landammann einen bereitgehaltenen unbändigen Ziegenbock los, und als dieser nun den Teufel am andern Ufer gewahrte, hielt er ihn ebenfalls für einen Ziegenbock. Sogleich stürmte er wütend über die Brücke und fuhr auf den Teufel los. Da wurde dieser über die schlauen Urner also rasend, daß er den Ziegenbock packte und ihn in hundert Fetzen zerriß. Die Urner aber lachten eins heraus. Das machte den Teufel noch wilder. Er tanzte vor Wut, und dann fuhr er schnurstracks abwärts bis unterhalb Göschenen, wo gewaltige Felsblöcke in den Bergweiden herumlagen. Den größten von allen packte er, lud ihn auf und keuchte damit wieder aufwärts, um die schöne neue Brücke zu zerschmettern.
Als er nun mit der ungeheuren Last, schwer schnaufend, bergan ging, kam ein altes Mütterchen daher. Da setzte sich der Teufel eben ein wenig und legte den Felsblock nebenher. Er wollte etwas verschnaufen.
Wie aber das Mütterchen seinen Bocksfuß ersah, machte sie schnell das Kreuzzeichen über sich und auch gegen den Stein, der auf einmal im Rasen steckenblieb und trotz allem Reißen sich vom Teufel nicht mehr vom Fleck bringen ließ. Nun merkte er, daß mit den Urnern bös handeln sei, und fuhr beschämt zur Hölle. Seither heißt die Brücke in den Schöllenen die Teufelsbrücke und der riesige Stein in den Weiden am Weg unterhalb Göschenen der Teufelsstein.

Der Hexenmeister

Einst hauste an der Teufelsbrücke bei Einsiedeln im Kanton Schwyz ein Wunderdoktor. Er war so berühmt, daß man ihn in der halben Welt herum kannte, denn es gab keine Krankheit, für die er nicht ein Mittel gewußt hätte. Er hatte einen sonderbaren langen Namen, denn er hieß Theophrastus Bombastus Augustinus Aureolus Paracelsus von Hohenheim.
Aber was ihn schier noch berühmter machte, waren seine Zauberkünste, die er allüberall verübte, denn er war ein großer Hexenmeister. Da wäre gar vieles zu erzählen. So ließ er unter anderem einmal einen lustigen Spielmann von St. Gallen aus der Stadt auf einem Schimmel durch die Luft mitten unter die Tagsatzungsherren zu Baden reiten. Dieser Paracelsus oder Raster, wie ihn die Einsiedler Bauern nannten, besaß einen Degen, in dessen Knopf alle vier Elemente steckten. Was man aber mit dem Degenknopf berührte, verwandelte sich sogleich in lauter lötiges Gold.
Ich will aber nur noch berichten, was der Einsiedler Klosterherr Gall Morell selig vom Absterben des Hexenmeisters zu erzählen weiß. Bei Rasters Tod soll es wunderlich zugegangen sein. Raster hatte einen Schwager, der auf ihn neidisch war und ihm besonders seinen großen Namen mißgönnte. Also beschloß er, ihn zu töten, und zwar durch Vergiftung mittels eines Diamanten, den er für das sicherste Mittel zu diesem Zwecke hielt. Der Vorsatz wurde ausgeführt. Raster nahm das Gift, merkte aber sogleich, wo das herkomme und wer es ihm gegeben. Darauf verlangte er eine Kreide und zeichnete das Bild des Schwagers, der nicht zugegen war, an die Wand. Als dies geschehen, verlangte er auch Bogen und Pfeil und schoß den Pfeil in das Herz des Bildes, und siehe, der Schwager fiel im gleichen Augenblick tot zu Boden. Jetzt verlangte der vergiftete Zauberer allein zu sein, um ein Gegengift zu bereiten. Alles zog sich zurück, er schloß sich in sein Zimmer ein und begann seine Zauberkünste. Die Nachbarn aber reizte die Neugier und die Sorge um ihn, und sie beobachteten ihn durch eine Spalte in der Wand des Zimmers. Aus Schrecken über das, was sie gesehen, oder aus irgendeiner anderen Ursache sprengten sie die Türe, worauf er ihnen erschrocken entgegenrief: "Ihr habt mich getötet, Freunde, ihr seid meine Mörder, denn jetzt ist mein Gegenzauber vereitelt!" Die Freunde hörten das mit Entsetzen, entschuldigten sich und gingen dann nach seinem Wunsche wieder fort.
Nur ein treuer Diener war zurückgeblieben. Dem wollte er ein Andenken hinterlassen und ließ ihm die Wahl zwischen seinem Degen und seinen Büchern. Der Diener besann sich lange. Da er aber die Kunst des Degenknopfes nicht kannte oder denken mochte, er werde ihm doch nicht entgehen, wählte er die Bücher. Sofort trat er wieder vor seinen Herrn und sagte: "Gebt mir die Bücher." Raster war hiemit übel zufrieden und erwiderte: "Ich hätte lieber gesehen, du hättest den Degen gewählt; da es aber so ist, so magst du die Bücher behalten. Das Schwert dort nimm und wirf es in die Sihl, das soll niemand erben." Jetzt merkte der Diener, daß er nicht die rechte Wahl getroffen, nahm das Schwert, warf es aber nicht in die Sihl, sondern versteckte es in einem Busche, aus dem er es nach dem Tode Rasters wieder hervorzuholen gedachte. Darauf kehrte er zu seinem Herrn zurück, und als dieser fragte: "Hast du nach meinem Wort getan?" antwortete er: "Ja, Herr." Da ergrimmte der Zauberer, der schon ahnte oder wußte, was vorgegangen war, und drohte, den Diener wegen seines Ungehorsams zu erschießen, wie er den Schwager erschossen hatte. Zitternd ritt der Diener zurück, holte den Degen aus dem Busch, brachte ihn seinem Herrn und gestand seine Schuld. Dieser wiederholte den früheren Befehl. Der Degen wurde in die Sihl geworfen. In dieser aber fing es an zu brausen und zu tosen, Steine sprangen auf, der Boden bebte und mit ihm das Haus des sterbenden Paracelsus. Dieser, im Gefühl des nahen Todes, sprach zu seinem Diener: "Jetzt weiß ich, daß du meinen Befehl befolgt hast, daß keiner mein Schwert erben wird und daß für mich die Stunde da ist, aus der Welt zu gehen." Und so starb er.

Wilhelm Tell

Es war an einem Sonntag nach St. Othmar. Da kam von Bürglen her, einem Dörflein am Eingang des wilden Schächentales, mit festem Berglerschritt ein Mann gen Altdorf hinuntergegangen. An der Hand führte er seinen jüngeren Knaben Walter. Auf der Schulter trug er seine schwere Armbrust. Das war Wilhelm Tell, der beste Gemsjäger im Lande Uri. Er wollte zu Besuch gehen bei seinem Schwiegervater Walter Fürst in Altdorf.
Als er nun mit seinem Söhnchen vom Zeitglockenturm her über den Hauptplatz lief, machte ihn sein Knabe auf eine lange Stange aufmerksam, die mitten auf dem Platze stand und die zwei Waffenknechte des Landvogts Geßler bewachten. Auf der Stange aber hing ein Hut mit einer Pfauenfeder. Viele alte Weiber und Kinder, aber oft auch ein Mann, gingen am Hute vorbei und knicksten höhnisch oder neigten ihr Haupt, rauchend vor Scham. Doch der Tell schien das alles nicht zu bemerken und wollte aufrechten Hauptes und festen Ganges mit seinem Büblein am Hut auf der Stange vorbeischreiten.
Da sprangen die beiden Wächter vor, streckten ihre Lanzen aus und ließen den Schützen nicht weiter. Und als er in ihre vorgehaltenen Spieße griff und unwillig fragte, warum sie ihn nicht seines Weges gehen ließen, antworteten sie, er habe dem Hut nicht die schuldige Reverenz erwiesen und müsse nun mit ihnen zum Landvogt kommen, um als ein Verräter an der kaiserlichen Majestät seine Strafe zu gewärtigen. Der Hut sei vom Landvogt an die Stange gehängt worden, um den Sinn und Geist des Volkes zu prüfen, und er hätte sich vor ihm verneigen sollen wie vor dem Kaiser selbst.
Aber der Tell drückte ihre Spieße zur Seite und sagte, er beuge sich vor niemand als vor Gott und lasse sich von ihren zwei Eisenstangen nicht aufhalten. Die Knechte rangen mit ihm, und sein Knabe rief um Hilfe, also daß die Leute von Altdorf von allen Seiten herbeieilten, unter ihnen auch Walter Fürst, der Großvater des kleinen Walter.
Eben wollte Tell den zwei Waffenknechten die Spieße entreißen, da ließ sich Pferdegetrappel vernehmen, das rasch die Dorfgasse heraufkam. Und auf einmal ritt Geßler, der Landvogt, heran mit seinem bewaffneten Troß und Gefolge. Als er nun bei dem aufgesteckten Hute stand, fragte er die Knechte, was sie mit diesemManne hätten. Da schrie einer der Wächter: "Herr, er hat vor dem Hute das Haupt nicht geneigt!"
Jetzt blickte der Landvogt Geßler mit unheilverkündenden, finsteren Augen auf den Schützen Tell. Er kannte ihn gar wohl und haßte ihn, weil er nicht lange vorher einem Unterwaldner Bauer, der den frevelhaften Untervogt der Burg Rotzberg erschlagen hatte, über den sturmgepeitschten See half und ihn so vor seinen Verfolgern errettete.
"Warum hast du dem Hut nicht Respekt bezeigt?" fragte er jetzt barsch den Schützen. Nun versuchte sich Wilhelm Tell zu entschuldigen und sagte: "Vergebt mir, Herr! Es geschah aus Unverstand, denn wäre ich klug, so hieße ich nicht der Tell." Doch der Landvogt hatte Böses vor. Er dürstete danach, diesen aufrechten Mann, den er heimlich fürchtete, zu verderben. Und also fragte er ihn: "Tell, hast du Kinder?" - "Ja, zwei, Herr", antwortete der Schütze. - "Welches ist dir das liebste?" fragte Geßler weiter. "Es sind mir beide gleich lieb, Herr", sagte Tell, der Unheil zu merken begann. Da erblickte der Landvogt neben dem Schützen den kleinen Walter. Und jetzt sagte er, voll Bosheit lächelnd: "Tell, ich weiß, daß du ein berühmter Schütze bist. Du triffst ja die Gemse im Sprung, den Vogel im Flug. Wohlan, ich will dir nun ein Ziel geben, wo du deine ganze Schützenkunst zeigen kannst. Habe acht, daß du's nicht verfehlst. Du sollst einen Apfel vom Haupte deines Kindes schießen. Verfehle ihn ja nicht, sonst ist dein Leben verwirkt."
Da schrie alles Volk auf. Die Frauen rangen jammernd die Hände, und die Männer ergrimmten. Auch der Schütze Tell erbleichte und sagte: "Herr, es kann nicht Euer Ernst sein, solch Unmenschliches von mir zu verlangen. Wie sollte ich von meines Kindes Haupt einen Apfel schießen können? Erlaßt mir den Schuß, Herr, lieber will ich gleich sterben." Und er riß sein Wams auf und bot die Brust den Waffenknechten hin, daß sie ihn erstechen möchten.
Doch der harte Landvogt Geßler sprach: "Entweder tust du den Schuß, oder du und dein Kind, ihr beide müßt zusammen sterben."
Als sich Wilhelm Tell nun nach seinem Büblein umschaute, sah er, daß es die rohen Waffenknechte schon an einen Baum gebunden hatten. Auf seinem flachshaarigen Scheitel aber lag ein Apfel. "Schieß nur, Vater", rief der kleine Walter, "ich fürchte mich nicht!"
Da sank der bäumige Gemsjäger in die Knie vor Jammer und blickte mit stummem Entsetzen zum Landvogt auf. Doch der schaute ihn mit bösen, schadenfreudigen Augen an.
Jetzt packte Tell die Armbrust, nahm zwei Pfeile heraus und steckte einen in das Göller. Aber Walter Fürst, der Großvater des kleinen Walter, trat jetzt zum Landvogt und beschwor ihn bei seinem Seelenheil, von seinem schrecklichen Verlangen abzustehen. Er kniete sogar vor ihm nieder und hob flehend die Hände zu dem Tyrannen auf, der ihn aber kalt und höhnisch ansah.
Auf einmal schrie eine Weiberstimme aus dem Volk: "Der Apfel ist gefallen, der Apfel ist gefallen!" Und hundertstimmig jubelte das Volk: "Der Apfel ist gefallen!"
Während der Landvogt auf den alten Landammann Walter Fürst hörte, hatte Wilhelm Tell rasch die schwere Armbrust gespannt, den Pfeil daraufgelegt, gezielt und geschossen. Da flog der Pfeil, und der Apfel war gefallen.
Aufjauchzend stürmte der kleine Walter auf seinen Vater zu, der noch fassungslos und wie im Traum am Boden kniete und die Armbrust krampfhaft in den Händen hielt. Ein Knecht aber hatte den Apfel aufgehoben und zeigte ihn nun dem Landvogt Geßler. "Wahrhaftig", sagte der, "der Apfel ist mitten durchgeschossen; es war ein Meisterschuß, ich muß ihn loben."
Aber als der Tell, der langaufatmend und bebend vor Freude sein Kind ans Herz geschlossen hatte, sich erhob und mit dem jubelnden Volk abziehen wollte, fragte ihn plötzlich der Landvogt: "Höre, Tell, sag an, warum stecktest du den zweiten Pfeil in das Göller, bevor du den Schuß tatest?"
"Herr, es ist so des Schützen Brauch", sagte dieser, der den Vogt und sein böses Herz durchschaute. Aber der Landvogt runzelte die Stirne und sagte: "Tell, bekenne nur die Wahrheit ohne Furcht, du sollst deines Lebens sicher sein. Warum stecktest du den zweiten Pfeil in das Göller?"
Jetzt stellte sich der Tell bolzengerade vor den Landvogt hin, sah ihn furchtbar an und rief, ihm den Pfeil entgegenstreckend: "Wohlan, Herr, da Ihr mir mein Leben zugesichert habt, will ich Euch die Wahrheit sagen: Hätte ich mit dem ersten Pfeil meines lieben Kindes Haupt getroffen, mit dem zweiten hätte ich Euer wahrlich nicht gefehlt!"
Der Landvogt erschrak innerlich sehr, denn nun erkannte er, wie ihn der Tell haßte, den er so schrecklich gequält hatte. Aber er ließ sich nichts merken und sagte kalt: "Das Leben habe ich dir zugesichert, Tell, ich will es redlich halten. Aber da ich deinen bösen Willen gegen mich erkannt habe, will ich dich dahin führen lassen, wo weder Sonne noch Mond dich bescheinen, auf daß ich vor dir Ruhe habe. Ergreift ihn!"
Sogleich packten die Waffenknechte den Schützen Tell und banden ihm unter den Verwünschungen und unter dem Aufjammern des umstehenden Volkes die Hände auf den Rücken. Dann rissen sie ihn von seinem Büblein los und schleppten ihn ins Herrenschiff nach Flüelen, um ihn über den Waldstättersee ins finstere Burgverlies nach Küßnacht zu bringen. Geßler selbst bestieg mit seinem Gefolge den Herrennauen.
Bald stieß des Landvogts Schiff ab, und noch lange schaute das entrüstete Volk nach seinem roten Dache. Im Nauen aber lag der Schütze Tell inmitten der Waffenknechte, und umsonst schaute er mit sehnsüchtigen Augen, wie die heimatlichen Gestade allmählich verschwanden, und umsonst blickte er sich nach der hinten im Schiff liegenden Armbrust um. Niemals mehr sollte er das Licht der Firnen sehen, niemals mehr das Schwirren seines sicheren Pfeiles im Bergwalde hören.
Als sie aber ein gutes Stück über den See gefahren, sah man auf einmal das ewig lebendige Schneestaubwölkchen, das am Firnenhaupt der Großen Windgälle hängt, stärker aufstieben. Auch kam ein unheimliches Summen und Knurren, wie das Murren des Volkes an der Maienlandsgemeinde, von den Firsten und Graten der Berge. Der Himmel ward tiefblau, als wollte er sich auftun, und die Bergwälder schienen nahe, als könnte man sie mit den Händen greifen. Und jetzt kräuselte sich der See; ein paar heftige Windstöße pfiffen um die Bergwände, und plötzlich tobte der Alpenwind, der wilde Föhn, von den Bergen herab und fuhr schnaubend, jauchzend und pfeifend daher, den See also aufpeitschend und aufjagend, daß die gehetzten Wellen wie wilde, wutschnaubende Tiere auf das Herrenschiff lossprangen.
Da erschraken der Landvogt Geßler und seine Leute. Nirgends war eine Fähre, denn überall starrten sie die jähen Felsen an, und die Ruderknechte hatten eine harte Arbeit, das Schiff von den Bergwänden abzuhalten, an denen die Wogen donnernd aufsprangen und zerschellten. Und auf einmal packte der Sturmwind den tanzenden Nauen und zwang ihn durch den kochenden See gegen die vorspringenden Riffe des Axenberges.
Jetzt glaubten alle im Schiff ihr Sterbestündlein nahe. Sie hörten schon das Sterbeglöcklein auf dem Seelisberg läuten, das nur erschallte, wenn ein Schiff dem Untergang verfallen schien. In dieser höchsten Not baten die Waffenknechte den Landvogt, er möchte doch den Tell ans Steuerruder lassen, da er ein so starker Mann und im Rudern gar wohl bewandert sei. Der Landvogt, den die Todesangst übernommen hatte, erlaubte es mit stummem Nicken. Rasch band man den Schützen los, und da stand er schon am Steuerruder. Mit riesenstarker Faust zwang er das schwere, auf und ab springende Schiff um den Axenberg und brachte es so aus dem gefährlichsten Wogengang. Langsam, aber sicher lenkte er den immer noch wie ein gepeitschtes Roß steigenden Nauen der Felsplatte zu, die am Axen aus einem schmalen Gelände vorspringt.
Als er mit dem Schiff daran fast anstieß, packte er plötzlich seine Armbrust und sprang auf die Felsplatte, das Schiff im Abspringen mit einem gewaltigen Fußtritt in die zischende Flut zurückstoßend. Dann verschwand er im Bergwald. - Lange Zeit wurde das Herrenschiff noch im empörten See herumgetrieben, und oft genug war es nahe am Versinken. Nur mit unsäglicher Mühe und Not brachten es die Ruderknechte bei Brunnen zum Landen, von wo aus dann Geßler nach seiner Burg Küßnacht reiten wollte.
Tell aber eilte über Sisikon und die Alpenweiden bei Morschach nach Arth und von dort gegen Küßnacht.
Gegen Abend ritt der Landvogt Geßler racheschnaubend von Immensee her gegen seine Burg zu Küßnacht. Als er mit seinen Leuten durch die Hohle Gasse kam, die von hohem Gebüsch und gewaltigen Eichen überwölbt und beschattet war, warf sich ein armes Weib namens Armgard mit ihren Kindern vor sein Pferd und schrie, sie gehe nicht von der Stelle, bis der Landvogt ihren gefangenen Mann aus dem finsteren Burgverlies hinauslasse. Aber der herzlose Vogt ergrimmte und machte Miene, über das arme Weib und ihre Kinder hinwegzureiten.
Da schwirrte auf einmal ein Pfeil aus dem Busch und fuhr dem Landvogt mitten ins Herz. Schreckensbleich zuckte er zusammen, sank zurück und schrie auf: "Das ist Tells Geschoß!" Da zeigte sich der Schütze Tell auf einen Augenblick und rief: "Du kennst den Schützen, suche keinen andern!" Dann verschwand er im Gehölz. Der Landvogt Geßler aber starb in den Armen des Bettlerweibes, das ihn umsonst angefleht hatte.
Das ist die Geschichte des berühmten Schützen Tell, und heute noch kann man sie abgemalt sehen in der offenen Kapelle auf der Tellsplatte, die der grüne Bergsee umbrandet.